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  • AutorenbildBianca Kraus

Das Risikowahlmodell von Atkinson


John W. Atkinson entwickelte 1957 im Rahmen seiner Forschungen im Bereich der Leistungsmotivation das sog. Risikowahl-Modell. Es zählt zu den Erwartungs-Mal-Wert-Theorien und wird anhand von mathematischen Formeln untermauert. Das Modell befasst sich mit der Fragestellung, welche Aufgabe eine Person wählt, wenn diese einen leichten, mittelschweren oder schweren Bewältigungsgrad aufweist. Beispielsweise wären das Fragen bezüglich einem Referatsthema oder auch des beruflichen Werdegangs. Wählt eine Person hier den leichten, mittleren oder schweren Weg, um an ihr Ziel zu gelangen? Diese Frage soll mittels dem Risikowahlmodell geklärt werden. Die Auswahl der verschiedengradigen Aufgaben hat vor allem eine hohe Bedeutung gegenüber der Lernerfahrung des Einzelnen, die er durch die Aufgabe erhält. Auch kommt es, bei der Wahl der "richtigen" Aufgabe, zur Weiterentwicklung der Kompetenzen. Beim Wählen von unterfordernden oder überfordernden Aufgaben kommt es zu keinem Lernzuwachs, da diese, trotz erfolgreichen Abschlusses, als kein Erfolgserlebnis empfunden werden. Diese Empfindung des Erfolgserlebnisses ist jedoch im weiteren Verlauf für die Stärkung der Selbstwirksamkeit sehr wichtig.[1]


i. Konstrukte zur Vorhersage der Wahl einer Aufgabe

Atkinson entwarf zur Vorhersage, wovon es abhängig ist, für welche Aufgabe sich eine Person entscheidet, die folgenden drei Konstrukte:[2]

- Das individuelle Leistungsmotiv («Motive»)

- Die subjektive Erwartung («Erwartung»)

- Den Anreiz der Aufgabenbewältigung («Anreiz»)

Das Motivkonstrukt beschreibt Atkinson als eine Bereitschaft, eine gewisse Zufriedenheit anzustreben. Damit soll der affektive Charakter des Motivs hervorgehoben werden. Hier werden das Erfolgs- und das Misserfolgsmotiv unterschieden. Beim Erfolgsmotiv (Me) steht das Erzielen von Erfolg im Mittelpunkt. Dadurch entsteht ein Gefühl des Stolzes. Das Misserfolgsmotiv (Mm) repräsentiert das Vermeiden von einem Misserfolg. Hier empfindet die Person Beschämung.[3]

Das zweite Konstrukt ist die Erwartung. Hier kommt es zu einer Verhaltensvorhersage durch das Leistungsmotiv der Person und derer Umweltkomponente. Das Konstrukt der Erwartung beschreibt die subjektive Wahrscheinlichkeit inwieweit eine Aufgabe erfüllt wird oder es mit einem Misserfolg endet. Die subjektive Wahrnehmung beruht auf den früheren Erfahrungen der betroffenen Person. Die Erfolgswahrscheinlichkeit wird auf einer Skala von 0 bis 1 bestimmt. Wobei 0 für eine nullprozentige, und 1 für eine hundertprozentige Erfolgswahrscheinlichkeit steht.[4]

Der Anreiz ist das dritte und letzte Konstrukt im Modell. Er wird durch einen invers-linearen Zusammenhang zwischen der subjektiven Wahrscheinlichkeit für Erfolg (We) und dem Anreiz für Erfolg (Ae) bestimmt. Beispielweise wird beim Lösen einer leichten Aufgabe, kein richtiger Stolz empfunden, da die Aufgabe von vornherein als einfach eingestuft wurde. Entscheidet sich eine Person jedoch für eine Aufgabe, die für sie auch eine Herausforderung darstellt bzw. die Erfolgsaussicht von Anfang eher gering ist, und diese dann erfolgreich bewältigt wird, kommt es zu einem Gefühl des Stolzes. Der Zusammenhang zwischen subjektiver Erfolgswahrscheinlichkeit und Erfolgsanreiz lässt sich durch folgende mathematische Formel ausdrücken:[5]

Ae = 1 - We

Man kann also sagen, dass, je schwieriger eine Aufgabe erscheint, desto mehr steigt der Anreiz und somit der Stolz bei der erfolgreichen Bewältigung dieser Aufgabe.[6]



ii. Motivationstendenzen

Wenn ein Leistungserfolg angestrebt wird, werden bei einer Person die suchende Erfolgstendenz (Te) und die meidende Misserfolgstendenz (Tm) angestrebt. Beide müssen zu einer resultierenden Motivationstendenz (Tr) verrechnet werden, was folgende Formel ergibt:[7]

Tr = Te + Tm

Die Erfolgstendenz (Te) als auch die Misserfolgstendenz (Tm) ergeben sich, wie in den folgenden mathematischen Formulierungen ersichtlich ist, aus der Multiplikation des (Miss-)Erfolgsmotivs (Me bzw. Mm), der subjektiven (Miss-)Erfolgswahrscheinlichkeit (We bzw. Wm) und dem (Miss-)Erfolgsanreiz (Ae bzw. Am):[8]

Erfolgstendenz: Te = Me x We x Ae

Misserfolgstendenz: Tm = Mm x Wm x Am

Erfolgsmotivierte Menschen sind optimistisch eingestellt und gehen offen auf neue Aufgaben zu, während misserfolgsorientierte Menschen von Furcht geprägt sind.

Ãœberwiegt die positive Einstellung zu einer Aufgabe (Me > Mm) wird die Person umso mehr an dem Ziel arbeiten. Steht hingegen der Pessimismus und die Angst

(Mm > Me) im Vordergrund, so wird eine Person Leistungssituationen meiden.

Abbildung 1: Risikowahlmodell nach Atkinson (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Baumgärtner, S. D., Folie 9; Narciss et al., S. 5)



Wie in Abbildung 1 ersichtlich, bevorzugen erfolgsmotivierte Personen Aufgaben mit einer mittelgradigen Schwierigkeit. Misserfolgsorientierte Menschen sind zwar allen Leistungsaufgaben abgeneigt, wählen aber, wenn sie sich entscheiden müssen, eine sehr leichte oder sehr schwere Aufgabe.[9]


b. Abgrenzung vom V-I-E-Modell nach Vroom

Das Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungs-Modell nach Vroom, kurz V-I-E-Modell, ist das Grundmodell der Prozesstheorien der Motivation und stellt eine Entscheidungstheorie dar. Die V-I-E-Theorie wird vor allem zur Analyse im Bereich der Arbeitswelt eingesetzt, um z.B. die Berufswahl, die Produktivität oder die Arbeitszufriedenheit zu analysieren. Das Modell geht davon aus, dass Menschen solche Alternativen wählen, die ihren subjektiven Nutzen maximieren. Dies ist auf einen Weg-Ziel-Ansatz zurückzuführen. Das bedeutet, dass eine Person nur dann eine Anstrengung durchführen möchte bzw. genug Motivation aufbringt, wenn dadurch ein angestrebtes Ziel erreicht werden kann.[10] Beispielsweise wird ein Mitarbeiter motiviert sein, seine Arbeit exakt zu erledigen, wenn er weiss, dass er dadurch Anerkennung oder sogar eine Belohnung wie eine Gehaltserhöhung bekommt.

Das Modell wird ebenfalls in drei Konstrukte unterschieden: der Valenz, der Instrumentalität und der Erwartung.[11]

Unter Valenz versteht man die Wertigkeit, die eine Person einem gewissen Ziel gegenüber pflegt. Es ist eine individuelle subjektive Sichtweise und richtet sich nach den Bedürfnissen einer Person.[12] Beispielsweise könnte das Ziel «Lohnerhöhung» für die eine Person von hoher Bedeutung sein, für die andere Person jedoch von niedriger Bedeutung.[13] Menschen streben in der Regel Konsequenzen mit einer positiven Valenz an, und meiden Konsequenzen mit einer negativen Valenz.[14] Die Valenz ist ein variables Konstrukt, dass von den jeweiligen momentanen Lebens- und Umweltbedingungen abhängig sind.[15]


Die Instrumentalität steht für die subjektive Einschätzung, inwieweit die Leistung zum gewünschten Ziel führt. Das Handlungsergebnis kann eine hohe als auch niedrige Instrumentalität aufweisen. Eine hohe Instrumentalität ist vorhanden, wenn das Handlungsergebnis eng mit der Handlungsfolge verbunden ist. Beispielsweise würde eine erfolgreich absolvierte Abschlussprüfung eine positive Instrumentalität für die Anerkennung des Vorgesetzten beinhalten. Je nach Ergebnis ergibt sich ein Wert von -1 bis +1. Der Wert -1 steht für eine Nicht-Erreichung des Ziels. Der Wert +1 steht für eine zwangsläufige Zielerreichung. 0 wird einer Instrumentalität zugewiesen, wenn das Ergebnis nicht in Zusammenhang mit einer Handlungsfolge steht.[16]

Bei der Erwartung wird abgeschätzt, ob das Ziel auch realisierbar ist. Wie in Abbildung 2 ersichtlich werden zwei Formen der Erwartung unterschieden:

- Die Handlungs-Ergebnis-Erwartung bezeichnet die subjektive Wahrscheinlichkeit, mit welcher durch eine bestimmte Handlung ein bestimmtes Ziel erreicht wird. Zum Beispiel erwartet ein Mitarbeiter, dass er durch Überstunden eine Beförderung in seinem Unternehmen erhält.

- Die Ergebnis-Folge-Erwartung ist die subjektive Wahrscheinlichkeit, welche davon ausgeht, dass das Ergebnis auch tatsächlich Folgen nach sich zieht. Beispielsweise, dass durch geleistete Mehrarbeit wirklich eine Beförderung durch das Unternehmen erfolgt.[17]

Die Erwartungen werden nach Vroom auf einer Skala von 0 bis 1 gemessen. Wenn eine Person davon ausgeht, dass das Handlungsergebnis erreicht wird, wird dies mit dem Wert 1 verzeichnet. Wenn die Person jedoch davon ausgeht, dass sie keinen Einfluss auf das Handlungsergebnis hat, wird es dem Wert 0 zugeordnet.[18]


Abbildung 2: Zusammenhang zwischen den Konstrukten Valenz, Instrumentalität und Erwartungen (Quelle: Holtbrügge (2018), S. 21)


Die höchste Leistungsmotivation ergibt sich, wenn alle Konstrukte eine hohe Wahrscheinlichkeit aufweisen. Eine niedrige Motivationstendenz entsteht, wenn sich mindestens eine Komponente der Wahrscheinlichkeit von 0 anschliesst.[19]



[1] Vgl. Brandstätter et al. (2013), S. 30-31 [2] Vgl. Brandstätter et al. (2013), S. 31 [3] Vgl. Brandstätter et al. (2013), S. 31 [4] Vgl. Brandstätter et al. (2013), S. 31 [5] Vgl. Brandstätter et al. (2013), S. 32; Vgl. Hänsel et al. (2016), S. 90 [6] Vgl. Brandstätter et al. (2013), S. 32 [7] Vgl. Brandstätter et al. (2013), S. 32 [8] Vgl. Brandstätter et al. (2013), S. 32 [9] Vgl. Brandstätter et al. (2013), S. 33 [10] Vgl. Holtbrügge (2018), S. 20-21; Scherm/Süß (2011), S. 153; Kühlmann (2008), S. 92 [11] Vgl. Kirchler/Walenta (2011), S. 352 [12] Vgl. Holtbrügge (2018), S. 21 [13] Vgl. Kirchler/Walenta (2011), S. 353 [14] Vgl. Kühlmann (2008), S. 86 [15] Vgl. Holtbrügge (2018), S. 21; Scherm/Süß (2011), S. 153 [16] Vgl. Kirchler/Walenta (2011), S. 353; Kühlmann (2008), S. 88 [17] Vgl. Holtbrügge (2018), S. 21 [18] Vgl Kühlmann (2008), S. 88 [19] Vgl. Scherm/Süß (2011), S. 153; Gerrig (2016), S. 453

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