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AutorenbildBianca Kraus

Was versteht man unter Intelligenz?


In der Literatur findet man keine einheitliche Definition für den Begriff Intelligenz. „Intelligenz“ wird in den unterschiedlichsten Zusammenhängen verwendet und es werden folgend einige Erläuterungen in Bezug auf das Wort „Intelligenz“ aufgeführt.

William Stern definiert Intelligenz als eine allgemeine geistige Anpassungsfähigkeit, welche es dem Menschen ermöglicht sich an neue Aufgaben und Lebensbedingungen anzupassen. Hier steht flexibles Denken im Vordergrund, welches einen Wissenserwerb ermöglicht als auch das passende Reagieren auf veränderte Umstände. Intelligenz setzt sich aus drei Teilkomponenten zusammen: den verbalen Fähigkeiten, den rechnerischen Fähigkeiten und dem Logischem Denken.[1]

Im Duden wird Intelligenz im Allgemeinen als kognitive psychische Fähigkeit bezeichnet, unter welchem Konzentration, Vorstellung, Gedächtnis, Denken, Lernen, Sprache und die Fähigkeit im Umgang mit Zahlen und Symbolen verstanden wird. Im engeren Sinne wird Intelligenz als geistige Begabung und Beweglichkeit bezeichnet, die den Menschen dazu befähigt, sich schnell in neuen Situation zurecht zu finden, Sinn- und Beziehungszusammenhänge zu erkennen und neuen Situationen und Aufgaben durch kognitive Leistungen sinnvoll zu entsprechen. Die Ausprägung der Intelligenz jedes Einzelnen ist laut dem Duden von genetischen, kulturellen und sozialen Faktoren abhängig.[2]

Laut Sternberg und Kaufmann ist Intelligenz keine Eigenschaft wie Größe oder Gewicht, die für jeden Menschen die gleiche Sinnhaftigkeit hat, sondern variiert von Kultur zu Kultur. Die meisten Kulturen halten Intelligenz für etwas, was in ihrer Zeit und in ihrer Kultur zu Erfolg führt. Beispielsweise kann im Amazonas ein Einheimischer als intelligent bezeichnet werden, der die Wirksamkeit von verschiedenen Kräuter zur Behandlung von Erkrankungen kennt. Im Gegensatz dazu kann Intelligenz in einem Gymnasium bedeuten, sich mit dem anspruchsvollen Unterricht und den dort verwendeten Fachbegriffen auseinanderzusetzen und diese zu verstehen.

Intelligenz wird in jedem Kontext als Fähigkeit verstanden, aus Erfahrungen zu lernen, Probleme bewältigen zu können und das erworbene Wissen zu einer neuen situativen Anpassung einzusetzen.[3]

Drei Intelligenzmodelle

1. Zwei-Faktoren-Modell der Intelligenz von Spearman

Spearman entwickelte 1904 ein hierarchisches Intelligenzmodell, welches als Zweifaktorenmodell der Intelligenz oder auch Generalfaktorenmodell, bekannt ist.

Grundlage für sein Modell waren spezielle Beobachtungen an Probanden. Diese Beobachtungen zeigten, dass Testpersonen, welche bei Intelligenztestaufgaben wie z.B. Rechnen gut abschnitten, auch mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei anderen Intelligenztestaufgaben, wie z.B. Figuren richtig zusammensetzen, gut abschnitten. Aus diesen Beobachtungen nahm Spearman an, dass jeder Mensch eine sog. allgemeine unspezifische Fähigkeit der Intelligenz besitze, deren Ausmaß angeboren sei. Diesen allgemeinen Faktor bezeichnet Spearman als Generalfaktor (auch g-Faktor) der Intelligenz.

Neben dem Generalfaktor unterscheiden sich noch die s-Faktoren, welche den g-Faktoren untergeordnet sind. S-Faktoren sind spezifische Intelligenztestleistungen, welche bei der Lösung von verschiedenen Intelligenzaufgaben nötig sind.

Laut Spearman stehen die s-Faktoren nicht in Wechselwirkung zueinander. Das bedeutet, dass Personen, mit einem sehr guten räumlichen Vorstellungsvermögen, nicht automatisch auch eine Aufgabe lösen können, die verbale Fähigkeiten erfordert.

Aus diesem Modell lässt sich der IQ eines Einzelnen berechnen, der den individuellen Ausprägungsgrad des g-Faktors darstellt.



2. Mehrfaktorentheorie der Intelligenz von Thurstone

Thurstone kritisierte das Zwei-Faktoren-Modell der Intelligenz von Spearman und entwickelte 1938 aufgrund seiner Erforschungen die Mehrfaktorentheorie der Intelligenz. In seiner Theorie besteht Intelligenz aus sieben unabhängigen Komponenten, den sog. sieben Primärfaktoren. Zu diesen zählen die Rechenfähigkeit, das Sprachverständnis, die Wortflüssigkeit, die räumliche Vorstellung, das Gedächtnis, das Logische Denken und die Wahrnehmungsgeschwindigkeit. Im Vergleich zum Zwei-Faktoren-Modell der Intelligenz von Spearman existiert bei der Mehrfaktorentheorie kein Generalfaktor. Alle sieben Primärfaktoren liegen hier auf einer hierarchischen Ebene. Ein Test, der nach der Mehrfaktorentheorie aufgebaut ist, wäre z.B. der Intelligenzstrukturtest. Dieser gibt jedoch kein Maß für die allgemeine Intelligenz an.[4]


3. Modell der fluiden Intelligenz und kristallinen Intelligenz von Cattell

Cattell entwickelte 1971 ein Intelligenzmodell in der er die kristalline und die fluide Intelligenz unterscheidet.

Die kristalline Intelligenz beinhaltet das erworbene Wissen.[5] Zu ihr zählen vor allem das Erfahrungs- und Faktenwissen, der Wortschatz und das Sprachverständnis.[6] Die kristalline Intelligenz ist kulturabhängig, d. h. je nachdem in welchem sozialen Umfeld und in welcher Kultur ein Mensch aufwächst, erwirbt er unterschiedliche Erfahrungen und Wissensinhalte. Sie entwickelt sich während der Schulzeit aus und erreicht im Laufe des jungen Erwachsenenalters ihren Höhepunkt. Im Laufe des Lebens bleibt die kristalline Intelligenz auf einer konstanten Ebene.

Die fluide Intelligenz ist eine angeborene Leistungsfähigkeit und umfasst Fähigkeiten wie die Neuorientierung in einer neuen Situation, schlussfolgerndes sowie problemorientiertes Denken als auch die Wahrnehmungsgeschwindigkeit. Diese Form von Intelligenz ist eine basale intellektuelle Fähigkeit, die sich kulturabhängig entwickelt und sich ab dem 60. Lebensjahr leicht zurückbildet.[7] Die fluide Intelligenz ist notwendig, damit sich die kristalline Intelligenz auf- und ausbauen kann und sich ein dementsprechendes Alltags- und Expertenwissen entwickeln kann.[8]

Intelligenzmessungen im Alltag

Mittlerweile existieren schon eine Vielzahl von Intelligenztest mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die für verschiedene Ziel- und Altersgruppen erfasst wurden. Hierzu zählen zum Beispiel Intelligenztests für hochbegabte Kinder oder Erwachsene, Intelligenztests für die klinische Psychologie, kulturfreie Intelligenztests, und Intelligenztests mit und ohne Zeitbeschränkung.[9] Hauptsächlich dienen diese Tests zur Selektion, Diagnostik und Evaluation.

Der erste Kontakt mit Intelligenztests findet meist schon im Kindesschulalter statt, um herauszufinden, in welche Schulform die Kinder am besten selektiert werden sollen. Auch bei schlechten Schulleistungen können Intelligenztests als diagnostisches Werkzeug eingesetzt werden. Hier wird getestet, ob die schlechte Leistung aufgrund intellektueller Probleme bestehen, und wenn ja, in welchen Bereich diese Probleme anfallen.[10] Die Ergebnisse der Intelligenztests stimmen meist recht gut mit den Schulleistungen überein. Wichtig ist jedoch, dass man Störfaktoren wie Motivationsverlust, Ängste oder Sorgen der Kinder beachtet, da diese zu einem schlechteren Testergebnis führen können, dies jedoch nicht primär auf eine Intelligenzminderung schließen lässt.[11]

Beispiel: Ein siebenjähriger Junge wird von seiner Lehrerin in Absprache mit seiner Mutter zum Intelligenztest geschickt. Der Junge findet das blöd und hat deswegen keine Lust auf den Test. Während des Tests malt er ein paar Kreuze und Striche auf den Testbogen und wartet bis die Zeit vorbei ist. Er hat damit 0 Punkte erreicht.

An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass eine Testauswertung durch Weigerung der Testperson nicht sinnvoll ist. Hier ist es vielmehr wichtig, die Hintergründe der Verweigerung zu ermitteln.[12]

Auch im späteren Lebensverlauf werden Intelligenztests öfters zur Selektion in beruflichen und universitären Auswahlverfahren eingesetzt.

Mittlerweile ist es bekannt, dass ein Bewerber mit höher erreichten Werten, vor allem in den Bereichen des allgemeinen Wissens, rechnerischen Denkens und allgemeinen Verständnisses, eher die Arbeitsstelle bekommt, als ein Bewerber mit niedrigen Werten in diesen Bereichen.[13]

Ein Intelligenztest kann für eine Person sehr belastend sein, deswegen obliegt die Durchführung eines Tests nur den dafür ausgebildeten Personen. Die Messungsziele des Tests müssen genauestens mit den Gefahren abgewogen werden. Ein Testergebnis das nicht so gut ausfällt kann zwar einerseits Förderungsmöglichkeiten aufzeigen, auf der anderen Seite kann es das Selbstwertgefühl der Testperson stark schädigen und es können große Zweifel entstehen. Aus diesem Grund gilt, dass ein Intelligenztest nur dann durchgeführt werden soll, wenn aus dem Ergebnis überwiegend positive Konsequenzen für die Testperson abgleitet werden können.

Beispielsweise wäre bei einem Intelligenztest mit hohem Sprachanteil, ein ausländisches Kind mit schlechten Deutschkenntnissen stark benachteiligt. Das Kind könnte unterdurchschnittlich abschneiden, da es die Testfragen, aufgrund der Sprache, falsch verstehen könnte.

Auch bei älteren Menschen sollte die Durchführung eines Intelligenztests genauestens durchdacht werden. Bei betagten und hochbetagten Menschen spielen vor allem der Gesundheitszustand, das Interesse, die Motivation sowie die Biografie des Einzelnen eine entscheidende Rolle.

Beispiel: Hr. Müller ist 70 Jahre alt, depressiv und wird in eine gerontopsychiatrische Rehabilitationsreinrichtung aufgenommen. Bei Eintritt soll er einen Intelligenztest durchführen, äußert aber, dass man ihm mit diesem neumodischen Zeug fernbleiben soll. Schließlich füllt Hr. Müller den Test doch noch aus, jedoch ist er dabei sehr lustlos.

Auch hier könnte das Ergebnis unterdurchschnittlich ausfallen und ist aufgrund des Stimmungstief von Hr. Müller nicht aussagekräftig.

Weitere Faktoren, bei denen ein Intelligenztest nicht sehr sinnvoll erscheint, wären z. B. die Einschränkungen der Sinnesorgane (eingeschränkte Sehfähigkeit, mehr Zeit zur Informationsaufnahme), Unsicherheit der Testperson (Testsituationen nicht mehr gewöhnt), verlängerte Entscheidungszeit, allgemeine Grundstimmung und die Motivation.[14]

Einsatz von Intelligenztests im Rahmen der Personalauswahl

Bei einer überwiegenden Mehrzahl der beruflichen Einstellungstests handelt es sich um nicht standardisierte, vollständige und von Psychologen durchgeführte Intelligenztests. In der Personalauswahl werden aus den verschiedenen Intelligenzfaktoren einzelne Aufgaben zur Erfassung der Intelligenz ausgewählt, um dadurch genauere Aussagen über einzelne kognitive Fähigkeiten eines Bewerbers treffen zu können.

Berufliche Intelligenztests beschränken sich vor allem auf die Gebiete des logischen, zahlenlogischen, sprachlogischen und räumlichen Denkens. Dadurch lassen sich zwar die persönlichen Schwerpunkte der Intelligenz eines Einzelnen testen, aber es lässt sich keine Aussage über den allgemeinen Intelligenzquotienten ermitteln. Auch der direkte Bezug zu einer beruflichen Tätigkeit fehlt bei solchen Eignungstests.[15] Zwar ist es sinnvoll, wenn z.B. ein Mathematiker im Bereich der zahlenlogischen Intelligenzermittlung ein gutes Ergebnis vorweisen kann, aber es ist nicht das einzig entscheidende Kriterium.

Die meisten Menschen nehmen an, dass ein höherer IQ automatisch mit einem größeren Erfolg im Beruf zusammenhängt und dass Menschen mit einem niedrigerem IQ nicht so erfolgreich sein können. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Wissenschaftliche Studien belegten, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem IQ einer Person und ihrem beruflichen Erfolg gibt. Das bedeutet, dass jemand mit einem niedrigeren IQ-Ergebnis genauso berufliche Erfolge erzielen kann, wie auch jemand mit einem hohen IQ, beruflich scheitern kann. Beruflicher Erfolg ist nämlich nicht nur durch einen angemessenen IQ gekennzeichnet, sondern auch durch Durchhaltevermögen, Willensstärke, Selbstdisziplin und Ehrgeiz. Und diese Eigenschaften sind mittels Intelligenztest nicht messbar.[16]

[1] Vgl. Kessler (2015), S. 125 [2] Vgl. Pschyrembel (2012), S. 1014 [3] Vgl. Myers (2014), S. 400 [4] Vgl. Kessler (2015), S. 126-127 [5] Vgl. Kessler (2015), S. 127 [6] Vgl. Ekert/Ekert (2010), S. 132 [7] Vgl. Kessler (2015), S. 127 [8] Vgl. Ekert/Ekert (2010), S. 132 [9] Vgl. Willmann et al. (2013), S. 28 [10] Vgl. Maltby et al. (2011), S. 563 [11] Vgl. Ekert/Ekert (2010), S. 132 [12] Vgl. Ekert/Ekert (2010), S. 133 [13] Vgl. Maltby et al. (2011), S. 563 [14] Vgl. Ekert/Ekert (2010), S. 133-136 [15] Vgl. Willmann et al. (2013), S. 28 [16] Vgl. Katz (2006), S. 45-46


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