J. B. Rotter befasste sich im Zuge seiner sozialen Lerntheorie ausführlich mit der generalisierten Kotrollüberzeugung, auch «Locus of control» genannt. Die «Lokalisation der Kontrolle» ist ein erworbenes Persönlichkeitsmerkmal und bezieht sich auf die zentralen generalisierten Erwartungen eines Menschen, die das Verhalten über unterschiedliche Situationen hinweg beschreibt.[1]
Die generalisierte Kontrollüberzeugung unterscheidet Rotter in internale und externale Kontrollüberzeugung. Daher kommt auch der Name «Locus of control». Er wird deswegen so genannt, da er den Ort angibt, wo er sich befindet, nämlich innerhalb oder ausserhalb der Person.[2]
Menschen mit einer internalen Kontrollüberzeugung haben den Glauben, dass Sie mit ihrem eigenen Verhalten bestimmte Situationen positiv als auch negativ beeinflussen können. Diese Personen gehen davon aus, dass ihr eigenes Handeln zu einer bestimmten Verhaltenskonsequenz führt.[3] Beispielsweise führt ein Student, der einen erfolgreichen Vortrag gehalten hat, sein Gelingen, auf seine Fähigkeiten und sein hohes Arbeitsengagement zurück. Ein Arbeitnehmer der unzufrieden mit seiner Arbeitsstelle ist, ist eher dazu bereit sein Arbeitsverhältnis aufzulösen, da er durch seine interne Kontrollüberzeugung davon ausgeht, Kontrolle über sein Leben zu haben und selbst Veränderungen herbeiführen kann.[4] Ein anderes Beispiel wäre noch das Einhalten von Fastentagen oder einer speziellen Diät. Dadurch nimmt die Person eine interne Kontrolle wahr, da sie selbst ihr eigenes Wohlbefinden (Stimmung, körperliche Gesundheit) damit beeinflussen kann.[5] Forschungen zufolge steigt die interne Kontrollüberzeugung mit zunehmendem Alter an.[6]
Personen mit einer externalen Kontrollüberzeugung gehen hingegen davon aus, dass Situationen durch äussere Faktoren dominiert werden, und nicht durch das eigene Handeln beeinflusst werden können. Die Handlungskonsequenz wird hier äusseren Umständen wie dem Glück, Zufall oder einer höheren Macht zugeschrieben.[7] Menschen mit externer Kontrollüberzeugung fühlen sich oft machtlos, hilflos und der Situation ausgeliefert. Meist sind sie auf die Hilfe von anderen Menschen angewiesen.[8] Diese Menschen leben nach dem Motto «Es kommt, wie es kommen muss»[9]. Beispielsweise wird ein Student, der bei einer Prüfung durch Baulärm abgelenkt wird, diesen externen Faktor die Schuld geben, dass er die Prüfung nicht bestanden hat, anstatt sich einzugestehen, dass er zu wenig dafür gelernt hat.[10]
Obwohl etliche Studienergebnisse darauf hinweisen, dass eine internale Kontrollüberzeugung ein besseres Leben gewährleistet, kann auch eine externe Kontrollüberzeugung eine Verbesserung der Lebensumstände beeinflussen. Wenn eine Person beispielsweise immer wieder erlebt, dass sie bestimmte Pflichten oder Erwartungen nicht erfüllen kann, kann die externale Kontrollüberzeugung dafür sorgen sich nicht selbst dafür die Schuld zu geben. Ein positives Selbstbild wird sonach aufrechterhalten, indem das Versagen auf externale Umstände projiziert wird.[11]
Zur Messung der Kontrollüberzeugung entwickelte Rotter die sog. Internalitäts-Externalitäts-Skala (abgekürzt I-E-Skala).[12] Ob jemand eine internale oder externale Kontrollüberzeugung entwickelt, ist stark von den Erfahrungen des Einzelnen und seiner Lebensgeschichte abhängig.[13]
Auswirkungen der Kontrollüberzeugungen auf das Gesundheitsverhalten von Menschen
Die Kontrollüberzeugungen einer Person beziehen sich auch auf sein Gesundheitsverhalten. Dies nennt man laut Schwarzer (1996) «Health Locus of Control» und wird wiederum in internale und externale Kontrollüberzeugung unterschieden.
Interne Kontrollüberzeugung hat insofern eine Auswirkung auf das menschliche Gesundheitsverhalten, da es beschreibt, dass eine Person die eigene Gesundheit als selbst regulierbar und steuerbar wahrnimmt. Menschen mit einer externalen Kontrollüberzeugung sind eher davon überzeugt, dass die Verantwortung über ihre Gesundheit äusseren Autoritäten wie Ärzten oder Pflegepersonal zugeschoben werden, oder aber auch höheren Mächten wie z.B. dem Schicksal.[14]
Externale Typen nehmen bei einer Erkrankung eher eine passive Patientenrolle ein.
Internale Typen übernehmen, durch das Erlernen von gesünderen Verhaltensweisen, aktiv an einer Therapie teil.[15]
Damit es zu einer positiven Auswirkung auf das Gesundheitsverhalten kommen soll, ist eine internale Kontrollüberzeugung erforderlich. Dadurch ist der Mensch überzeugt, dass er selbst über seine Gesundheit und sein Wohlbefinden Einfluss nehmen kann. Diese Menschen sind von vornherein eher bereit, sich ein gesundes Verhaltensmuster anzueignen bzw. sich gesundheitlichen Risikofaktoren zu entziehen und reagieren auch bewusster auf Gesundheitsinformationen.
Die internale Kontrollüberzeugung kann durch Beratungsgespräche gestärkt werden, da der Zusammenhang zwischen dem eigenen Handeln und den gesundheitlichen Folgen dadurch besser erklärt werden kann. Sie dient als zentraler Punkt in der Förderung der Eigenverantwortung und Selbstständigkeit des Einzelnen.[16]
Studien belegten, dass bei schweren chronischen Erkrankungen wie HIV-Infektionen, Diabetes oder Migräne, eine ausgeprägte internale Kontrollüberzeugung zu einer höheren Lebensqualität führt.[17] Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Bezug auf psychische Erkrankungen. In diesem Bereich sind meist Menschen anzutreffen, denen man eine externale Kontrollüberzeugung zuteilen kann. Eine externale Kontrollüberzeugung gilt in diesem Bereich als Risikofaktor für Suizidgedanken und Selbstmordversuche.[18]
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Konzepten «locus of control» und Selbstwirksamkeit?
Die Konzepte des Locus of control und der Selbstwirksamkeit gehören beide der sozialen Lerntheorie an und gelten als kognitive Überzeugungssysteme. Albert Bandura knüpfte 1977 zudem an die Arbeiten von J. B. Rotter (1954, 1966) an und erweiterte diese.[19]
Wie schon oben beschreiben zeigen Rotters Kontrollüberzeugungen, dass Menschen sich internal und external durch ihre Überzeugungen unterscheiden. Diese weisen darauf hin, ob eine Person glaubt, dass für ein Endergebnis das eigene Handeln (internal) oder äussere Umstände (external) dafür verantwortlich sind. Die Selbstwirksamkeitserwartung nach Bandura sagt hingegen aus, ob ein Mensch davon überzeugt ist, eine Handlung auch wirklich ausführen zu können.[20]
Abbildung 2: Selbstwirksamkeit vs. Locus of control (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Della Picca/Spisak(2013), S. 101)
Die Verbindung zwischen den zwei Konzepten lässt sich so erklären, dass wenn eine Person durch internale Überzeugung davon überzeugt ist, Leistungen durch ihr eigenes Tun zu erbringen, kommt es dadurch auch zu einem Gefühl der Selbstwirksamkeit. Durch das Gefühl der Selbstwirksamkeit entsteht wiederum eine Stärkung der internen Kontrollüberzeugung. Sie stehen quasi in Wechselwirkung zueinander und stabilisieren sich gegenseitig.
Wie in Abbildung 2 ersichtlich, ist das auch umgekehrt der Fall. Durch externe Kontrollüberzeugung fühlt sich der Mensch hilflos und verfügt über geringe Handlungsmöglichkeiten, was zu einer niedrigen Selbstwirksamkeit führt. Durch eine niedrige Selbstwirksamkeit entsteht das Gefühl, dass die Person keinen Einfluss auf ihre Situation hat, was wieder verstärkend auf die externe Kontrollüberzeugung wirkt.[21]
Weitere psychologische Konzepte, die eine inhaltliche Nähe zu diesen beiden Modellen aufweisen
Neben den Konzepten des Locus of control von Rotter und der Selbstwirksamkeit nach Bandura gibt es weitere ähnliche psychologische Konzepte wie das Kohärenzgefühl nach Antonovsky, die Robustheit («Hardiness») nach Kobasa und den dispositionalen Optimismus nach Scheier und Carver. Diese fünf Konzepte stehen in enger Verbindung zueinander und überkreuzen sich auch teilweise. Sie stellen je eine gesundheitsfördernde personale Ressource dar, gelten als salutogen und transaktional, und begünstigen eine erfolgreiche Problembewältigung.[22]
Das Kohärenzgefühl nach Antonovsky setzt sich aus den Gefühlen der Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit zusammen. Es beschreibt eine allgemeine positive Grundeinstellung einer Person gegenüber der Welt und zum eigenen Leben. Solche Menschen empfinden das Leben als sinnvoll und haben Vertrauen in ihre eigenen Ressourcen, um Anforderungen zu bewältigen. Ein Mensch mit einem stark ausgeprägtem Kohärenzgefühl, kann flexibel auf seine Anforderungen reagieren und aktiviert entsprechende Ressourcen dafür. Eine Person mit geringen ausgeprägtem Kohärenzgefühl ist Anforderungen gegenüber eher dogmatisch eingestellt, da diese nicht genug Ressourcen zur Verfügung hat bzw. diese nicht wahrnimmt.[23]
«Hardiness» stellt sich aus den drei Komponenten der Kontrolle, des Engagements und der Herausforderung zusammen. Personen mit einer hohen Kontrolle gehen davon aus, dass sie Situationen aktiv beeinflussen können und zeigen auch die Bereitschaft zu selbstverantwortlichem Handeln. Durch Engagement zeigt eine Person, dass sie bestrebt ist, indem was sie tut und sich dafür einsetzt. Sie ist neugierig auf das Leben und weist eine hohe Motivation auf. Unter der Herausforderung versteht man, dass der Mensch Veränderungen nicht als bedrohlich wahrnimmt, sondern als positive Chance. Veränderungen sind für solche Menschen keine Last, sondern sehen darin neue Gelegenheiten neue Erfahrungen zu sammeln und dadurch zu wachsen. Es wurden zahlreiche Studien vor allem in den Bereichen Stress am Arbeitsplatz, körperliche Erkrankungen, Pflege chronische kranker oder behinderter Angehöriger und Kriegserlebnissen in Verbindung mit Hardiness durchgeführt. Diesen Forschungsergebnissen zufolge gibt es einen direkten positiven Zusammenhang zwischen Hardiness und physischen als auch psychischen Belastungen.[24]
Dispositionaler Optimismus gilt als Persönlichkeitseigenschaft und hat eine Vielzahl von positiven Auswirkungen auf das Leben eines Menschen. Personen, die sich durch eine optimistische Sichtweise kennzeichnen, gehen in erster Linie immer davon aus, dass sie positive Ergebnisse und Ereignisse im Leben erwarten. Dadurch legen sie eine grössere Handlungs- und Durchhaltebereitschaft an den Tag. Bei einer Handlungsausführung erleben optimistische Menschen hauptsächlich positive Emotionen. Forschungen zufolge hat eine optimistische Grundeinstellung einen starken positiven Effekt auf psychische und physische Erkrankungen, als auch auf die Genesung nach Operationen. Sie sind weniger anfällig für Angst und Depressionen und bewältigen Stressepisoden viel besser als negativ eingestellte Menschen.[25]
[1] Vgl. Heinecke (2013), S. 73; Rammsayer/Weber (2010), S. 94 [2] Vgl. Heinecke (2013), S. 73 [3] Vgl. Rammsayer/Weber (2010), S. 94 [4] Vgl. Maltby et al. (2011), S. 176 [5] Vgl. Pischel (2018), S. 147 [6] Vgl. Maltby et al. (2011), S. 175 [7] Vgl. Rammsayer/Weber (2010), S. 94 [8] Vgl. Maltby et al. (2011), S. 175 [9] Rüdiger (1995), S. 112 [10] Vgl. Gerrig (2016), S. 449 [11] Vgl. Rammsayer/Weber (2010), S. 97 [12] Vgl. Maltby et al. (2011), S. 174 [13] Vgl. Rammsayer/Weber (2010), S. 95 [14] Vgl. I care (2015), S. 109 [15] Vgl. Maltby et al. (2011), S. 176 [16] Vgl. I care (2015), S. 109-110 [17] Vgl. Rammsayer/Weber (2010), S. 96 [18] Vgl. Maltby et al. (2011), S. 175 [19] Vgl. Heinecke (2013), S. 75; Ulich/Wülser (2018), S. 49 [20] Vgl. Spisak/Della Picca (2013), S. 101; Ulich/Wülser (2018), S. 49 [21] Vgl. Becker-Carus/Wendt (2017), S. 530 [22] Vgl. Höfer (2000), S. 97; Ulich/Wülser (2018), S. 49 [23] Vgl. Bengel/Lyssenko (2012), S. 16-17 [24] Vgl. Bengel/Lyssenko (2012), S. 69-70; Franken (2010), S. 141-142 [25] Vgl. Bengel/Lyssenko (2012), S. 69-70; Franken (2010), S. 131; Maltby et al. (2011), S. 871
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